Idyll in Gefahr

Berlin ist auch die Hauptstadt der Kleingärtner, jedenfalls ist das der Eindruck, den ich auf meinen Streifzügen durch die Stadt gewonnen habe. Jedes Zipfelchen Erde wird zum Garten umgewandelt und gehegt und gepflegt. Und das nicht nur am Rand der Stadt, nein, auch mittendrin, vor allem entlang der umfangreichen Bahnanlagen, findet man diese Kolonien. Und das mitunter auch an Plätzen, die so gar nicht idyllisch erscheinen.

Besungen hat das Laubenpieperglück auch schon Claire Waldoff:

Jibt et denn wat Schöneres
Als wenn Sonntags so
Quietschvergnügt und froh
Sie ihm unterfäßt
Und sich führen läßt
Schon am Morgen früh
In de Laubenkolonie

Ein Kleingartenidyll nach dem anderen muss jedoch dem Grundstückverwertungsdruck weichen, so auch die Anlage der Eisenbahn-Landwirtschaft an der Lehrter Straße.

Hier soll gebaut werden und die Kleingärten, die der Naherholung vieler Moabiter dienen, müssen Platz machen für Wohnen und Gewerbe. Dabei könnt man sich durchaus eine Neugestaltung des großen ehemaligen Bahngeländes zwischen Lehrter Straße und Eisenbahn vorstellen, bei der Kleingärten bestehen bleiben und in die neue Bebauung integriert werden, wie es wohl auch einer der Architektenentwürfe für das Gelände vorgeschlagen hatte, der aber leider nicht den ersten Preis geholt hat. Es verwundert schon, wie die Profitinteressen einiger weniger dem Gemeinwohl vorangestellt werden – die im Grundgesetz festgeschriebene Sozialbindung des Eigentums kann ich dabei nicht erkennen.

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10 Antworten auf „Idyll in Gefahr“

  1. Heißen die möglicherweise Betroffenen nicht “Laubenpieper”?
    Jedenfalls drücke ich den Laubenpiepern meinen grünen Daumen, damit eine gute Lösung für sie gefunden wird.

    1. Auf den Webseiten des Vereins für eine Billige Prachtstraße – Lehrter Straße kannst du dir sowohl den Siegerentwurf (Präsentation Siegerentwurf carpaneto.schöningh) und – wenn auch weniger ausführlich – die Entwürfe aller Wettbewerbsteilnehmer (Dokumentation Städtebauliches Gutachterverfahren Lehrter Straße) anschauen und dir selber ein Bild machen. Ich finde ja den Entwurf von Sauerbruch Hutton (die übrigens ihr Büro gerade gegenüber in der Lehrter Straße haben) am gelungensten.

  2. Ich kenne diesen konkreten Fall nicht, aber musste im Laufe meines Lebens so einige Erfahrungen sammeln, die daran zweifeln lassen, dass deutsche Spartengärten vorrangig dem Allgemeinwohl oder Naturschutz dienen. Die Oase kann bei einem selbstherrlichen Vorstand schnell zur Hölle werden …

  3. Sorry, da hab ich wohl zu verbissen reagiert. Wünsche allseits schöne Frühlingstage mit Amseln und Goldammern, Nachtigallen (die aber nicht direkt vorm Schlafraumfenster schuchzen sollten) und Pirolen (selten so viele gehört wie in den letzten Tagen).

  4. Mir ist bei meinen Berlinbesuchen auch so mancher wunderschöne Kleingarten aufgefallen. Eine Freude fürs Auge in der Großstadt!
    Ja, gibt es denn keine Chance auf eine entsprechende Bürgerbewegung gegen die Schleifung dieser Siedlung?

  5. Gerade auf der Lehrter Straße hat sich schön früh sehr viel bürgerschaftliches Engagement entwickelt und es gibt selbstverständlich Initiativen, die sich für eine andere und in vielerlei Hinsicht verträglichere Gestaltung und Nutzung dieses Geländes einsetzen. Interessant ist auch ein vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft (ja, so etwas gibt es!) ausgelobter Ideen-Wettbewerb für das direkt angrenzende Gelände im nördlichen Bereich der Heidestraße, den ein Konzept mit dem schönem Namen Instant-Kiez gewonnen hat.

    1. dann bleibt nur zu hoffen, dass diese Initiativen nicht zu Tode ignoriert werden. Und was sehe ich? Instant-Kiez ist von Studenten der Uni Stuttgart eingereicht worden? Jetzt müssen die Hauptstädter die Schwaben am Ende ja doch noch ernst nehmen 😀

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